Schieflage

Die „Nullzinsphase“ führt zu manch außergewöhnlicher Konstellation.

Eine davon: Immer mehr freiwillig Versicherte stocken ihre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) bis zum Höchstbeitrag von knapp 15.000 Euro p.a. auf. Dies ist insoweit ungewöhnlich, als bislang freie Mittel für Vorsorge im Regelfall in private Altersvorsorgeprodukte investiert wurden.

Der Grund für diese neue Entwicklung ist schnell ausfindig gemacht: Wer mit 63, 64 oder 65 Jahren ohne Rentenabschläge in den Ruhestand will, muss die Lücke schließen. Und durch die regelmäßigen Rentenerhöhungen erscheint die GRV inzwischen vielen interessanter als eine private Rentenversicherung, bei der bei Neuabschluss der Garantiezins aufgrund der anhaltenden „Nullzinsphase“ nur noch bei 0,9 Prozent liegt.

Was ist davon zu halten?

  • Zukünftige Rentenerhöhungen auf die zusätzlichen freiwilligen Beiträge müssen über das Umlageverfahren von allen GRV-Versicherten und von den Arbeitgebern finanziert werden. Belastet werden damit vor allem zukünftige Generationen. Außerdem beziehen freiwillig Versicherte im Regelfall überdurchschnittlich hohe Einkommen und haben – statistisch nachweisbar – eine höhere Lebenserwartung mit entsprechend längerer Rentenbezugszeit. Ein solcher „Sozialausgleich von unten nach oben“ in Form von Mitnahmeeffekten widerspricht der Idee der solidarischen gesetzlichen Rente als tragende Komponente einer Sozialversicherung.
  • Denjenigen, die das nutzen, ist kein Vorwurf zu machen. Denn tatsächlich ist die gesetzliche Rente mit ihren vergleichsweise kräftigen Erhöhungen derzeit attraktiv. Und wie private Renten wird sie lebenslang gezahlt. Es besteht am Ende auch kein Risiko eines Totalverlustes, denn dies wäre gleichbedeutend mit einem Staatsbankrott.
  • Offen ist, ob freiwillige Zusatzbeiträge am Ende zu besseren Ergebnissen führen als bei privaten Vorsorgeprodukten. Denn der Garantiezins ist nur ein Teil der gesamten Überschußbeteiligung, die marktweit immer noch bei knapp unter 3 Prozent p.a. liegt. Und da Rentenversicherungen – gleichgültig ob privat oder gesetzlich – einen sehr langen „Horizont“ haben, darf durchaus davon  ausgegangen werden, dass die Zinsen mittel- bis langfristig wieder steigen. Davon würden die GRV-Versicherten nicht profitieren, privat Versicherte durchaus. Und im Übrigen gibt es fondgebundene Rentenversicherungen, bei denen weitaus höhere Renditechancen bestehen. Und eine private Rente kann – im Gegensatz zur gesetzlichen Rente – sehr flexibel gestaltet werden, was Rentenbeginn und -höhe oder Vererbbarkeit angeht. Zum Beispiel durch Vereinbarung einer Rentengarantiezeit, während der die Rente an Hinterbliebene weiter gezahlt wird.

Bleibt am Ende:

Beide Formen – gesetzliche wie private Rente – haben ihre Vor- und Nachteile, ihre Chancen und Risiken. Beide unterliegen Einflussgrößen, die mit Blick auf die Langfristigkeit nicht vorhersehbar sind. Das macht die Entscheidungen schwierig. Am besten fährt man deshalb wohl, wenn man nicht alles auf eine Karte setzt. Denn die Einflussgrößen in beiden Systemen sind sehr unterschiedlich, teilweise in ihrer Wirkung sogar gegenläufig. Wer also privat und gesetzlich vorsorgt, reduziert das Risiko. Wer dann noch die Chance hat, von einer betrieblichen Altersvorsorge zu profitieren, steht auf „3 Beinen“ besonders stabil.